Der Rechtsanwalt als zukünftiger Gegner

Ich möchte kurz auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.11.2018, VI ZR 394/17 hinweisen. Die dazugehörige Jurismeldung ist vom 08.02.2019, also morgen:

Der 6. Zivilsenat hat entschieden, dass es zwischen Streitgenossen, die als Gesamtschuldner verurteilt wurden, keine Rechtskrafterstreckung gibt, wenn diese sich nun untereinander um den Innenausgleich streiten.

Das klingt kompliziert, ist aber ganz einfach. Zur Erklärung folgender Fall:

M und F mieten gemeinsam eine Wohnung. Beide unterschreiben den Vertrag als Hauptmieter. Zahlen sie nun die Miete nicht, wird der Vermieter beide verklagen. Beide sind im Prozess sog. einfache Streitgenossen, §§ 59, 60 ZPO (hier konkret § 59 ZPO). Da der Vermieter die Miete insgesamt nur einmal fordern kann, beide Mieter aber ihm gegenüber die gesamte Miete schulden, wird er beantragen, sie als Gesamtschuldner zu verurteilen.

Wenn nun M und F untereinander eine Abrede dahingehend getroffen haben, dass F allein die Miete zahlt, muss F dem M die Miete erstatten, wenn M an den Vermieter aufgrund des Urteils gezahlt hat.

Weigert sich F nun, an M zu zahlen, kann sie in dem Prozess zwischen ihr und M einwenden, der Vermieter hätte das Geld gar nicht bekommen dürfen, daher hätte M gar nicht zahlen müssen. Sie müsse daher auch nicht an M zahlen.
Um das zu verhindern müsste M der F im Prozess mit dem Vermieter den Streit verkünden, § 72 ZPO. Dann steht im folgenden Prozess zwischen M und F fest, dass die Schuld zum Vermieter bestand und muss nicht noch einmal geprüft werden.

An sich ergibt sich dieses Ergebnis zwanglos aus dem Gesetz. Der Bundesgerichtshof hat da nichts Überraschendes festgestellt.

Wenig überraschend, aber in der Deutlichkeit doch verwunderlich, ist die Aussage, dass die fehlende Streitverkündung im Vorprozess eine Pflichtverletzung des Rechtsanwaltes war.

Wenn es jetzt zum Prozess zwischen Mandant und Rechtsanwalt kommt, könnte dieser wiederum den Prozessverlauf etc. in Frage stellen. Um das zu verhindern, bliebe dem Mandanten nur, seinem eigenen Anwalt schon im Vorprozess den Streit zu verkünden.

Eigentlich folgt aus der Entscheidung, dass man seinem eigenen Anwalt immer aus „anwaltlicher Vorsicht“ den Streit verkünden sollte, sobald der Prozess losgeht, was einigermaßen absurd ist. Nur so kann man in einem eventuellen Kunstfehlerprozess gegen den Anwalt die Feststellungen aus dem ersten Verfahren mit „hinüberziehen“.

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