Quo vadis Strafrecht? – Gesetzentwurf zur Strafbarkeit von illegalen Darknetdiensten

Nordrhein-Westfalen möchte das Strafgesetzbuch um einen neuen § 126a StGB erweitern, dessen sperriger Titel lauten soll:

Anbieten von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten

§ 126a StGB-E

Sieben Worte, vier Substantive, weiter kann man die Substantivierung wohl kaum treiben. Juristen sind darin ohnehin Meister.

Die geplante Vorschrift

Die gesamte Vorschrift soll wie folgt lauten:

§ 126a Anbieten von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten

(1) Wer eine internetbasierte Leistung anbietet, deren Zugang und Erreichbarkeit durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt und deren Zweck oder Tätigkeit darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Sinne von Satz 2 zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind

1. § 95 Absatz 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln,

2. §§ 29 Absatz 1 Nr. 1, 29a, 30, 30a des Betäubungsmittelgesetzes,

3. § 19 Absatz 1 des Grundstoffüberwachungsgesetzes,

4. § 52 Absatz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 des Waffengesetzes,

5. § 40 Absatz 1 und 2 des Sprengstoffgesetzes,

6. §§ 19 Absatz 1, 20 Abs. 1, 20a Absatz 1, 22a Absatz 1 Nr. 1, 2 und 4 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen sowie

7. §§ 146, 147, 149, 152a, 152b, 184b Abs.1, 202a, 202b, 202c, 263a, 275, 276, 303a und 303b des Strafgesetzbuches.

(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein, als die für die Tat im Sinne von Absatz 1 Satz 2 angedrohte Strafe.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Tat gewerbsmäßig begeht.

Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Einführung einer ei-genständigen Strafbarkeit für das Betreiben von internetbasierten Handelsplattformen für illegale Waren und Dienstleistungen – BR-Drucksache 33/19

Wer sich selbst ein Bild vom Inhalt des geplanten Gesetzes mit seinen Begründungen machen möchte, findet den Gesetzentwurf hier.

Detailfragen …

Anmerken möchte ich lediglich, dass das Tatbestandsmerkmal der Beschränkung des Zugangs und der Erreichbarkeit durch besondere technische Vorkehrungen durchaus Probleme aufwerfen wird. Die Entwurfsverfasser denken dabei hauptsächlich an ein TOR-Netzwerk (S. 8 BR-Drs 33/19). Was ist aber mit Diensten, die in Deutschland verboten, andernorts aber legal sind. Diese Dienste wird man nach wie vor über VPN/Proxy-Verbindungen erreichen, um eingerichtete Ländersperren zu umgehen. Erreicht man diese Dienste dann nur über „besondere technische Vorkehrungen“ (aus Deutschland)? Möglicherweise kann man das dann am Merkmal der Zweckgerichtetheit scheitern lassen. Diese (über das normale Internet aus anderen Ländern erreichbare) Dienste, beispielsweise ein Online-Cannabis-Handel, wollen ja keine Straftaten in den Ländern ermöglichen, in denen Teile der Produktpalette verboten sind.

Bei Cannabis scheint das auch noch einzuleuchten, müsste der Versandhändler die Betäubungsmittel ja in das Land versenden, in dem diese Stoffe verboten sind. In diesem Versenden könnte man dann ein Indiz für die Zweckgerichtetheit erkennen. Nr. 7 des Gesetzentwurfes zählt aber auch § 202c StGB zu den einbezogenen Straftaten. Hier kann ich mir die Ware an eine beliebige E-Mail-Adresse senden lassen.

Macht sich also auch derjenige strafbar, der beispielsweise legal in den USA „Hackerwerkzeuge“ anbietet und eine Ländersperre für Deutschland eingerichtet hat, es aber billigend in Kauf nimmt, dass auch Personen aus Deutschland unter Umgehung der Ländersperre bei ihm bestellen?

Art 74 Abs. 1 Nr. 1 GG – Länderhoheit ade

Das Problem liegt aber nicht im Detail, sondern auf einer generellen Ebene. Auch wenn der Gedanke nicht gerade en vogue ist, aber eine bedachte Ausweitung polizeilicher Befugnisse in diesem Bereich wäre besser. Das Vorfeld krimineller Aktivitäten wird klassischerweise mit dem Polizeirecht bekämpft. Wenn man das richtig anstellt, ist der Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger auch wesentlich geringer, als sofort mit dem Strafrecht und seinen doch recht einschneidenden Ermittlungsmaßnahmen zu reagieren. Die ständige Ausweitung von Strafbarkeiten im Vorbereitungsstadium sollte einmal grundsätzlich hinterfragt werden. Der Bund verschafft sich nämlich hier zu Lasten der Länder polizeiähnliche Befugnisse. Auch die Gegner der Ausweitung polizeilicher Befugnisse sollten nicht vergessen, dass ihnen das Landesrecht „näher“ steht, als das Bundesrecht. Ihre Repräsentation im jeweiligen Bundesland ist um ein vielfaches besser als im Bundestag.

Dem steht auch nicht entgegen, dass das Internet ein globales Phänomen ist und daher der Bund hier regieren sollte. Erstens sind die Betreiber solcher Plattformen real irgendwo vorhanden. Zweitens ist nicht erkennbar, warum ein Bundesland (auch in Kooperation mit anderen Bundesländern) nicht die Kapazitäten haben soll, im Internet auf die Jagd nach solchen Plattformbetreibern zu gehen.

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