BRD GmbH? BR i. D. GmbH?

Der Kläger war bis ins Jahr 2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Bonn (KAH). Er wandte sich gegen die Feststellung von Mängeln in der Geschäftsführung der KAH im Bericht des BRH vom 15.05.2007 und begehrte den Widerruf und die Richtigstellung einzelner Äußerungen.

Pressemitteilung des BVerwG Nr. 14/2019 v. 27.02.2019

Geht der Kampf in die zweite Runde? Wohl eher nicht. Reichsbürger ziehen ja gerne, zur „Begründung“ die BRD sei eine GmbH, mit der „Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH“ mit Sitz in Frankfurt am Main in die Schlacht. Ob jetzt auch diese GmbH bald Gewehr bei Fuß stehen muss, bleibt abzuwarten.

Impressionen vom Bundessozialgericht

Ich habe gestern die Gelegenheit wahrgenommen bei bestem Wetter zum Bundessozialgericht nach Kassel zu fahren, mir das Gericht und eine Verhandlung anzuschauen.

Über das Verfahren zu berichten, dem auch etliche Rechtspflegeranwärter beigewohnt haben, würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Der Sachverhalt war zwar noch relativ übersichtlich. Die erörterten Rechtsfragen aber waren von hoher Komplexität.

Das abgebildete Kunstwerk soll wohl das Bundessozialgericht sein. Wenn man von der Straße auf den Eingang des BSG zuläuft, sieht man nicht gleich, dass es sich um eine zerknautschte Darstellung des BSG handelt (im vierten Bild käme man von rechts; auf dem ersten Bild sieht man eine Straßenansicht). Es sieht eher aus, wie zerknautschte Mülltonnen. Was diese Darstellung des Gebäudes aussagen soll, erschließt sich mir nicht.

Mir sagt der Baustil zwar nicht zu, er ist aber immer noch angenehmer, als andere moderne Bauten, die eher an ein Gefängnis, denn ein Gericht oder Justizzentrum erinnern. Das Innere des Gerichts ist aber wirklich gelungen. Vor allem der Elisabeth-Selbert-Saal kann beeindrucken („Außenansicht“, Quelle: Bundessozialgericht, Dirk Felmeden).

Natürlich ist auch am höchsten deutschen Sozialgericht nicht alles leicht verständlich:

Instruction unclear – man konnte nur nach links oder rechts gehen. Das WC war aber eindeutig rechts von diesem Schild, wie auch der Lageplan zeigt.

Ein wenig rebellisch wurde es in Cafeteria:

Nach einer halbstündigen Verhandlung und einer halbstündigen Wartezeit auf die Verkündung des Urteils ging es dann wieder zurück. Die Republik ist um eine geklärte Rechtsfrage reicher.

Ostdeutsche, die verkannte Minderheit?

In der Mittwochsausgabe (20.02.2019) der Mitteldeutschen Zeitung sprach sich der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts Reiner Haseloff (CDU) gegen eine Quote zur Förderung Ostdeutscher aus. Er betonte aber zugleich, dass Ostdeutsche in Führungspositionen unterbesetzt seien und das es bedenklich sei hierauf 30 Jahre nach der Wiedervereinigung hinwiesen zu müssen.

Da stimme ich weit überwiegend zu. Ich hatte es schon in diesem Beitrag geschrieben, dass dieser Zustand zumindest in der Justiz nicht verwunderlich ist und mit Diskriminierung nichts zu tun hat. Ich halte ihn auch nicht für sonderlich bedenklich. Wenn das „Problem“ in 20 Jahren immer noch bestehen sollte, könnte man sich diesen Fragen einmal ernsthaft stellen.

Die Diskriminierung „Ossi“ mag unschön sein, aber sie stellt keine verbotene Diskriminierung nach dem AGG dar (ArbG Stuttgart, Urteil vom 15. April 2010 – 17 Ca 8907/09 –, juris – Ossi-Fall – ).

Darüber hinaus finde ich, dass wir regionale Unterschiede viel mehr pflegen sollten. Mut zum Dialekt, sei vor allem den Sachsen gesagt (deren Dialektwurzeln maßgeblich das heute Standardhochdeutsch prägt).

Das Gegenteil von „Gut“ ist „gut gemeint“

Ich habe gestern diesen TED-Talk gesehen, in dem es darum ging, was die USA von Deutschland in Bezug auf Gefängnisse lernen kann. An einer Stelle kommt er auf ein Gespräch mit den Vollzugsbeamten zu sprechen, bei dem er (und seine Reisegruppe, die auch aus einem verurteilten Mörder bestand), fragte, ob den Häftlingen in der Gefängnisküche auch Messer zur Verfügung stünden. Ich fand das interessant, weil ich dieselbe Frage auch gestellt habe, als ich im Rahmen des Referendariats eine Justizvollzugsanstalt besuchte. In beiden Fällen fiel die Antwort annähernd gleich aus: Ja, die Häftlinge bräuchten das schließlich zum Kochen.

Der Vortragende kommt im Verlauf des Vortrags dann auch auf die Menschenwürde zu sprechen, welche der Grund sei, warum wir unsere Gefangenen so behandeln, wie dargestellt. Dass wir damit auch besser fahren, als die Vereinigten Staaten, sollte das Video auch zeigen.

Frau Hänel verabschiedet sich nun offenbar aus gut gemeinten Gründen von der Menschenwürde. Ich bin über den Beitrag von Thomas Fischer darauf gestoßen, der dazu schon das Wesentliche bemerkt hat. In diesem Zusammenhang sei auch an diesen Beitrag erinnert. Mir kommt es so vor, als würden wir in letzter Zeit immer häufiger „aus guten Gründen“ die Axt an Prinzipien legen, denen wir aus (anderen) guten Gründen verpflichtet sind.

Frau Hänel wähnt sich auf der richtigen Seite und ist bestimmt überzeugt, Gutes zu tun. Dabei bemerkt sie nicht, welchem Gedanken sie die Tür einen Spalt weit aufmacht. Wenn man den Gedanken einmal zugelassen hat, es wäre „sozialpolitisch“ sinnvoll, Abtreibungen zu erleichtern, weil sie ja auch vermeintlich positive Effekte hat (hier die Kriminalität zu verringern, wie von Frau Hänel impliziert), dann ist es nicht mehr so weit, bis ins „Qualityland“, von Marc-Uwe Kling, wo Menschen (wie teilweise in China schon) einen „Level“ von 1 – 100 haben. Ab Level 9 und niedriger ist man „Nutzloser“. Im Buch (das ich für sehr lesenswert halte) werden Abtreibungen für „Nutzlose“ sogar staatlich gefördert. Ab Level 30 (?) aufwärts, sind Abtreibungen dann keine Kassenleistung mehr und enorm teuer.

BGH – Reichsbürger 1 : 0

Die Organe der Bundesrepublik und der Länder sind gemäß ihrer im Grundgesetz festgelegten Zuständigkeit befugt, von den Besatzungsbehörden erlassene Rechtsvorschriften aufzuheben oder zu ändern, sofern im Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten oder in den in dessen Artikel 8 aufgeführten Zusatzverträgen nichts anderes bestimmt ist.

Artikel 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland, den Vereinigten Staaten von Amerika, dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und der Französische Republik zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen

Ein ehemaliger Rechtsanwalt wollte zunächst vor dem Sozialgericht Berlin und dann nach Verweisung an den Anwaltsgerichtshof (AGH) in Hamm den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung aufheben lassen (also seine Zulassung zurückbekommen). Die für den Mann zuständige Rechtsanwaltskammer hatte die Zulassung aus gesundheitlichen Gründen widerrufen. Nachdem der AGH seine Klage abgewiesen hatte, wehrte er sich in der Berufung mit typischen Reichsbürgerargumenten. So seien die Gerichte und die Rechtsanwaltskammer gar nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen.

Dem erteilte der Anwaltssenat beim Bundesgerichtshof nun eine Absage und bezog sich relativ knapp auf die vom Berufungskläger selbst benannten Vorschriften. Die maßgebliche Bestimmung habe ich oben zitiert. Zusammengefasst räumen die Drei Mächte der Bundesrepublik die Befugnis ein, Besatzungsrecht aufzuheben. Es dürfte sich bei dem Vertrag zumindest nach dem Verständnis der Reichsbürger wohl auch um „Besatzungsrecht“ handeln. Das in Artikel 1 genannte Grundgesetz, zumindest mit seinen Gesetzgebungsregelungen (im Wesentlichen Art 70 – 79 GG), ist damit auch „besatzungsrechtlich“ legitimiert.

Die nur sieben Seiten lange Entscheidung des Bundesgerichtshofes kann man hier abrufen.

Zum Valentinstag …

… höre ich von vielen das immer gleiche Argument. Das ist doch alles nur Kommerz!
Das stimmt, aber irgendwie scheint mir das gerade in diesem Fall nur als Zustandsbeschreibung denn als Kritik zu taugen. Es handelt sich doch um einen Tag, an dem man üblicherweise Blumen kauft; bei (idealerweise örtlichen) Blumenhändlern; deren Angestellte regelmäßig Mindestlohn verdienen?

Bei der zunehmenden Kommerzialisierung von Weihnachten kann ich die Kritik ja durchaus nachvollziehen. Anders als an Weihnachten rückt an diesem Tag die Liebe doch gerade „durch den Kommerz“ in den Vordergrund und wird nicht durch ihn möglicherweise verdrängt.

Rücken wir also heute die Liebe in den Mittelpunkt:


So ist doch die Liebe, als freie Aufnahme des Willens eines andern unter seine Maximen, ein unentbehrliches Ergänzungsstück der Unvollkommenheit der menschlichen Natur …

Immanuel Kant, Das Ende aller Dinge

Bei Hegel klingt das dann (m.E. noch schöner) so:

Liebe heißt überhaupt das Bewußtsein meiner Einheit mit einem anderen, so daß ich für mich nicht isoliert bin, sondern mein Selbstbewußtsein nur als Aufgebung meines Fürsichseins gewinne und durch das Michwissen, als der Einheit meiner mit dem anderen und des anderen mit mir. Die Liebe ist aber Empfindung, d. h. die Sittlichkeit in Form des Natürlichen; […]. Das erste Moment in der Liebe ist, daß ich keine selbstständige Person für mich sein will und daß, wenn ich dies wäre, ich mich mangelhaft und unvollständig fühle. Das zweite Moment ist, daß ich mich in einer anderen Person gewinne, daß ich in ihr gelte, was sie wiederum in mir erreicht. Die Liebe ist daher der ungeheuerste Widerspruch, den der Verstand nicht lösen kann, indem es nichts Härteres gibt als diese Punktualität des Selbstbewusstseins, die negiert wird und die ich doch als affirmativ haben soll. Die Liebe ist das Hervorbringen und die Auflösung des Widerspruchs zugleich: als die Auflösung ist sie die sittliche Einigkeit

G.W.F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Zusatz zu § 158.

Strafverfahren made in USA

Gestern ging das Strafverfahren gegen Joaquín Guzmán, besser bekannt als „El Chapo“, mit einem Schuldspruch nach nur etwas mehr als 3 Monaten zu Ende. Zur Erinnerung, das Verfahren gegen den verbleibenden Kopf des NSU (und anderer 8 Angeklagter) dauerte über 5 Jahre.

Der Prozess gegen Guzmán begann am 05. November 2018 (wenn man das Plädieren auf „nicht schuldig“ dazu nimmt, begann der Prozess schon am 20. Januar 2017). Verhandelt wurden von den 17 angeklagten Fällen nur 10, um den Prozess zu beschleunigen. Insgesamt wurden 56 Zeugen gehört, wovon wenigstens 14 zum engeren Kreis Guzmáns gehörten. Die Schlussvorträge fanden am 31. Januar 2019 statt (1 Tag!). Die Jury brauchte 6 Tage für die Beratung, danach fiel das Urteil am 12. Februar 2019.
(Wikipedia)

Demgegenüber wurden allein im NSU-Prozess schon 56 Sachverständige
gehört. Hinzu kamen 540 Zeugen. Die Bundesanwaltschaft begann am 25. Juli 2017 mit ihrem Plädoyer. Die letzten Worte der Angeklagten waren am 3. Juli 2018 (also ca. 1 Jahr später). Die Urteile fielen am 11. Juli 2018.

Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig, ich habe aber so eine Vermutung, in welchem Verfahren zuerst Rechtskraft eintritt. Mich würde wirklich interessieren, wie diese enormen zeitlichen Differenzen zustande kommen. Wir reden hier immerhin über den vermeintlichen Kopf einer international agierenden kriminellen Vereinigung.

Juristensprache(2)

Zum Abschluss der Woche gesellt sich zum „Unterfertigten“ und der „Passivrubrizierung“ noch folgendes Wörtchen, das ich zugegebenermaßen noch nie gehört habe:

Intrikat wird die Angelegenheit, wenn der Kunde einen Provisionssatz in Höhe oder unterhalb der üblichen Spanne abgelehnt hat, dann soll eine „angemessene“ Vergütung jedenfalls nicht den abgelehnten Satz überschreiten dürfen (BGH NZM 2002, 171 [173] aE).

BeckOK BGB/Kotzian-Marggraf, 48. Ed. 1.11.2018, BGB § 653 Rn. 9

Ein Blick in den Duden verrät die Bedeutung:
verwickelt, verworren; heikel; verfänglich

Er verrät auch:

Wortart: Adjektiv
Gebrauch: veraltet

Der Rechtsanwalt als zukünftiger Gegner

Ich möchte kurz auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.11.2018, VI ZR 394/17 hinweisen. Die dazugehörige Jurismeldung ist vom 08.02.2019, also morgen:

Der 6. Zivilsenat hat entschieden, dass es zwischen Streitgenossen, die als Gesamtschuldner verurteilt wurden, keine Rechtskrafterstreckung gibt, wenn diese sich nun untereinander um den Innenausgleich streiten.

Das klingt kompliziert, ist aber ganz einfach. Zur Erklärung folgender Fall:

M und F mieten gemeinsam eine Wohnung. Beide unterschreiben den Vertrag als Hauptmieter. Zahlen sie nun die Miete nicht, wird der Vermieter beide verklagen. Beide sind im Prozess sog. einfache Streitgenossen, §§ 59, 60 ZPO (hier konkret § 59 ZPO). Da der Vermieter die Miete insgesamt nur einmal fordern kann, beide Mieter aber ihm gegenüber die gesamte Miete schulden, wird er beantragen, sie als Gesamtschuldner zu verurteilen.

Wenn nun M und F untereinander eine Abrede dahingehend getroffen haben, dass F allein die Miete zahlt, muss F dem M die Miete erstatten, wenn M an den Vermieter aufgrund des Urteils gezahlt hat.

Weigert sich F nun, an M zu zahlen, kann sie in dem Prozess zwischen ihr und M einwenden, der Vermieter hätte das Geld gar nicht bekommen dürfen, daher hätte M gar nicht zahlen müssen. Sie müsse daher auch nicht an M zahlen.
Um das zu verhindern müsste M der F im Prozess mit dem Vermieter den Streit verkünden, § 72 ZPO. Dann steht im folgenden Prozess zwischen M und F fest, dass die Schuld zum Vermieter bestand und muss nicht noch einmal geprüft werden.

An sich ergibt sich dieses Ergebnis zwanglos aus dem Gesetz. Der Bundesgerichtshof hat da nichts Überraschendes festgestellt.

Wenig überraschend, aber in der Deutlichkeit doch verwunderlich, ist die Aussage, dass die fehlende Streitverkündung im Vorprozess eine Pflichtverletzung des Rechtsanwaltes war.

Wenn es jetzt zum Prozess zwischen Mandant und Rechtsanwalt kommt, könnte dieser wiederum den Prozessverlauf etc. in Frage stellen. Um das zu verhindern, bliebe dem Mandanten nur, seinem eigenen Anwalt schon im Vorprozess den Streit zu verkünden.

Eigentlich folgt aus der Entscheidung, dass man seinem eigenen Anwalt immer aus „anwaltlicher Vorsicht“ den Streit verkünden sollte, sobald der Prozess losgeht, was einigermaßen absurd ist. Nur so kann man in einem eventuellen Kunstfehlerprozess gegen den Anwalt die Feststellungen aus dem ersten Verfahren mit „hinüberziehen“.

1 O 3/37

Juvis – Videokonferenz.sicher.verlässlich

Es ist der 06. Februrar 2037, 9 Uhr, ich komme in mein Büro, hole mein Tablet aus der Tasche und entfalte es auf meinem Schreibtisch. Heute ist mein Office-Tag. Verhandlungen stehen an. Trotz Juvis tue ich das immer noch gerne im Gerichtsgebäude. Auf den Bürger und auch auf mich macht das wesentlich mehr Eindruck, als unpersönlich über die Justiz-Video-Sitzungs-App, kurz Juvis, zu verhandeln. Von den unfreiwillig komischen Abkürzungen für Anwendungen, die immer noch aussehen als stammten sie aus den 10er Jahren dieses Jahrtausends, kann sich die Justizverwaltung eben nicht trennen.

Als ich vor 21 Jahren als Richter begann, gab es in Strafsachen noch „Mega“, was für „Mehrländergerichtsakte“ stand. Nicht in eine Reihe mit Influencern oder anderen Multiplikatoren gehörte – obwohl es so klang – der „web.sta“. „web.sta“ war vielmehr die damalige Aktenverwaltungssoftware der Staatsanwaltschaften und hatte damit wohl noch den progressivsten Namen. „Eureka“ rundete zusammen mit „ForumStar“ die früheren Justizverwaltungsprogramme ab. Den Preis für den sperrigsten Namen hatte definitiv „Eureka“ verdient, dass ausgeschrieben für „EDV-Unterstützung für Rechtsgeschäftsstellen und Kanzleien sowie der Richter- und Rechtspflegerarbeitsplätze“ stand.

Weiterlesen „1 O 3/37“