… alle dürfen mitmachen.“ Das lässt uns zumindest die Initiative „Demokratie: Gute Idee!“ des Thüringer Landtages wissen.
Bevor ich zum Inhaltlichen komme sei mir eine kleine Vorbemerkung gestattet. Immer wenn es mich über die Landesgrenze nach Niedersachsen verschlägt, weist mich das Land Niedersachsen darauf hin, dass Niedersachsen immer eine gute Idee sei. Ich habe nie verstanden, warum sich Bundesländer ein Motto geben müssen. Sachsen-Anhalt war ja früher das Land der Frühaufsteher, wobei die Gründe m.E. nicht dafür sprachen, dass der ganzen Welt auch noch mitzuteilen. Der Nachfolgeslogan „Sachsen-Anhalt: Ursprungsland der Reformation“ informierte die Reisenden, was irgendwie viel charmanter ist als simple Werbung. Leider stimmte er inhaltlich nicht. Ursprungsland der Reformation war das Kurfürstentum Sachsen, wenn man es als „Land“ begreifen möchte. Damals gehörte Wittenberg nämlich zu selbigem. Nach derselben Logik wäre Russland Ursprungsland des Krimsekts, die Türkei Ursprungsland von Byzanz und die Vereinigten Staaten Ursprungsland der Indianer. Warum nun Niedersachsen immer eine gute Idee ist, bleibt unklar. Worauf bezieht sich das? Bezieht es sich auf einen Urlaub, auf einen Arbeitsplatz oder ist es gar die Antwort auf die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“?
Zur Demokratiekampagne: Der Slogan „Demokratie: Gute Idee!“ klingt so, als wäre jetzt gerade keine Demokratie in Thüringen und den Leuten ist plötzlich die Idee der Demokratie gekommen. Zumindest impliziert das das Ausrufezeichen am Ende. Das Ganze könnte in einer Folge der Anstalt laufen: Robert Habeck, gespielt von Max Utthoff unterhält sich mit Bodo Ramelow, gespielt von Claus von Wagner. Dabei sagt Robert Habeck: „Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land.“ woraufhin Bodo Ramelow erwidert: „Demokratie: Gute Idee! Robert“.
Und schließlich: Demokratie bedeutet übersetzt nicht, alle dürfen mitmachen. Es ist auch Unsinn, zu behaupten, alle dürften mitmachen. Art 38 Abs. 2 GG lässt uns wissen, wer mitmachen darf und wer nicht. Für Thüringen gilt es natürlich einen Blick in die Landesverfassung zu werfen. Dort bestimmt Art 46 Abs. 2 ThürVerf aber Ähnliches. Darüber hinaus ist dieses „mitmachen“ nicht nur personell beschränkt, sondern in ganz erheblichem Maße auch inhaltlich. Die demokratische Mitwirkung erschöpft sich in der Wahl der Abgeordneten. Volksentscheide, wie sie die Thüringer Verfassung zulässt, sind seltene Ausnahmen.
Ich spare es mir an dieser Stelle auf sonstige Elemente der Seite www.dein-landtag.de einzugehen. Dann würde ich hier nicht fertig werden („Demokratie ist keine Einbahnstraße! Demokratie ist Geben & Nehmen. Demokratie ist Für & Wider. Demokratie ist Meinungspluralismus. Die Vielfalt an Stimmen. Und ja, keine sollte ungehört bleiben.“ – Hervorhebung von mir: Subjekt + Prädikat = Satz). Die Seite ist peinlich. Sie richtet sich ihrer Aufmachung nach an Personen, die das Wahlalter (egal in welchem Bundesland) noch nicht erreicht haben. Wenn man der Demokratie einen Gefallen tun möchte, sollte man sie nicht mit einer Aneinanderreihung von hippen Wortpaaren garnieren oder irgendwie zu verschleiern versuchen, was sie eigentlich ist. Man sollte sie mit einer gewissen Würde und mit einem gewissen Ernst behandeln, denn Demokratie ist kein Kindergeburtstag und Demokratie ist gefährlich für den Einzelnen, weshalb es Grundrechte auch in einer Demokratie geben muss. Wenn wir Demokratie so leben, wie es diese Seite suggeriert, befürchte ich, dass uns die Gründe verloren gehen, warum Demokratie historisch und philosophisch eine gute Idee war und ist.