Garantiebedingungen

Ich habe mir vor einiger Zeit zwei neue Bratpfannen von WMF gekauft. Auf beide gibt es „Garantie“ wie folgt:

Garantieerklärung
Wir garantieren Ihnen hiermit während einer Garantiezeit von 2 Jahren die einwandfreie Funktion unseres Produkts in Bezug auf Material, Verarbeitung und Antihaftfähigkeit. Die Garantiefrist beginnt mit dem Datum des Erwerbs des Produkts vom WMF Fachhändler, zu dokumentieren durch einen vom Verkäufer vollständig ausgefüllten Garantieabschnitt und den Kaufbeleg. Kommt es während der Garantiezeit zu Mängeln am Produkt, so werden wir die mangelhafte Pfanne kostenlos gegen eine neue austauschen. Der Garantieanspruch erstreckt sich ausschließlich auf diesen Anspruch. Weitergehende Ansprüche aus dieser Garantie sind ausgeschlossen. Zur Geltendmachung des Garantieanspruchs sind der ausgefüllte Garantieabschnitt und der Kaufbeleg vorzulegen.
 
Solange dasselbe Modell im Lieferprogramm geführt wird, wird das mangelhafte Teil durch ein Teil desselben Modells ersetzt. Wird das Modell nicht mehr im Lieferprogramm geführt, wird das mangelhafte Teil durch ein ähnliches, im Lieferprogramm geführtes Produkt ersetzt. Selbstverständlich werden durch diese Garantieerklärung Ihre gesetzlichen Gewährleistungsrechte nicht eingeschränkt. Innerhalb der Gewährleistungsfrist stehen Ihnen die gesetzlichen Gewährleistungsrechte auf Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt und Schadensersatz gemäß §§ 437 ff BGB im gesetzlichen Umfang zu.

WMF Pfannen Bedienungs- und Pflegehinweise

Soweit so gut. Der Garantiegeber wollte also, dass ich aufgrund der Garantie allenfalls eine neue Pfanne verlangen kann.

Die „Ausnahmen“ von der „Regel“

Kommen wir zum Garantieausschluss. Hier wird die Sache kribbelig:

Es wird keine Garantie übernommen für Beschädigungen, die aus folgenden Gründen entstanden sind:

– Schnitt- und Kratzspuren von rein optischer Natur

– Überhitzung

– ungeeignete und unsachgemäße Verwendung

– fehlerhafte, ungeeignete, unsachgemäße oder nachlässige Behandlung

– Nichtbefolgen dieser Bedienungsanleitung

– nicht sachgemäß durchgeführte Reparaturen

– den Einbau von nicht der Originalausführung entsprechenden Ersatzteilen

WMF Pfannen Bedienungs- und Pflegehinweise

Meiner Erfahrung mit Garantiebedingungen nach, sehen die meisten Garantiebedingungen so oder so ähnlich aus. Streitigkeiten um „Mobilitätsgarantien“ für Fahrzeuge kommen regelmäßig zu den Amtsgerichten. Da sind die Garantiebedingungen aufgrund des komplexeren Produktes wesentlich umfangreicher, aber auch nach dem Schema gestrickt: Garantieanspruch, Garantiefall, Garantieausschluss. Mit dem ersten Punkt wird geworben, die letzten beiden Punkte lassen von dem ersten nicht viel übrig. Ohne jetzt allzu tief in das Kaufrecht einzusteigen sei vorweggeschickt, dass Garantie nicht gleich Gewährleistung ist. Die Garantiebedingungen weisen darauf auch ausdrücklich zweimal hin (unter dem Stichwort „Hinweis auf gesetzliche Rechte des Verbrauchers“ wiederholt sich der obige Hinweis). Auch in Anbetracht der Entscheidung des Bundesgerichtshofes, BGH, vgl. Urteil vom 23.3.1988, Az. VIII ZR 58/87, bedarf es zwar keines doppelten Hinweises, man wollte aber wohl auf Nummer sicher gehen.

Der Garantievertrag begründet eine eigenständige, vom Gesetz in § 443 BGB angesprochene Verpflichtung des Verkäufers oder Herstellers. Die Vertragsparteien können wegen § 307 Abs. 3 BGB relativ frei den Inhalt des Vertrages bestimmen. Die Garantie kann also ganz erheblich beschränkt werden.

Garantieausschlüsse im Einzelnen

Am hiesigen Beispiel lässt sich das gut zeigen. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Kratzspuren aller Art (die nicht nur optischen Kratzspuren werden an anderer Stelle von der Garantie ausgenommen) ebenso wenig zu einem Garantiefall führen, wie der Einbau neuer, nicht originaler Teile. Was aber soll eine „ungeeignete und unsachgemäße Verwendung“ und eine „fehlerhafte, ungeeignete, unsachgemäße oder nachlässige Behandlung“ sein? Zunächst scheint die Verwendung die Benutzung der Sache im weiteren Sinne zu meinen. Die geeignete und sachgemäße Verwendung ist daher wohl die Benutzung der Sache zu ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch. Es stellt sich aber die Frage, ob es ungeeignete aber sachgemäße Verwendungen oder geeignete aber unsachgemäße Verwendungen gibt. Das Geheimnis überlassen wir zugunsten der Länge dieses Beitrages dem Hersteller.
Die Behandlung dürfte dann die Benutzung der Sache zu allen anderen Gelegenheiten sein, also beispielsweise das Verstauen der Pfanne. Hier ist der Katalog viel weiter gefasst. Hinzugekommen, im Vergleich zur Verwendung, sind die fehlerhafte und nachlässige Behandlung. Im Vergleich zum vorhergehenden Ausschluss sind nun aber alle Varianten mit einem „oder“ verbunden. Hier reicht also allein die unsachgemäße Behandlung aus, um die Garantie erlöschen zu lassen.

Konsequenzen

Wer nach all dem nur Bahnhof versteht, sollte dieses Gefühl konservieren und sich in Erinnerung rufen, wenn er „Garantie“ liest.

Der Streit über derlei Begriffe verläuft nämlich meist gleich. Der gerichtlich in Anspruch genommene Hersteller/Verkäufer versteht unter den oben genannten unbestimmten Begriffen jede Benutzung, die zu dem aufgetretenen Mangel geführt hat. Andernfalls wäre es bei dem Produkt ja auch nicht zu dem Mangel gekommen. Außerdem wird man immer eine Bestimmung in der Bedienungsanleitung finden, die nicht beachtet wurde, womit man auch diesen Ausschluss in der Hinterhand hat.

Im Ergebnis sind solche „Garantien“ selten das Papier wert, auf dem sie stehen. Im Grunde bekunden sie nur den Goodwill des Unternehmens, man werde in den meisten Fällen aus Kulanz austauschen. Meines Erachtens wäre es auch ehrlicher, wenn die Unternehmen mehr mit großzügiger Kulanz, statt mit Garantien werben würden. Denn zu Gericht kommen nur die wenigen Fälle, in denen es mit der Kulanz nicht klappte. Ich vermute, dass in den allermeisten Fälle, in denen sich außergerichtlich um Garantien gestritten wird, zu Gunsten des Kunden entschieden wird, obwohl die Garantiebedingungen das eigentlich nicht vorgesehen hätten.

Boris Palmer – Tübingens Batman(2)

Ein kleiner Nachtrag zur rechtlichen Situation um Boris Palmers Zwischenfall. Mittlerweile berichtete auch lto.de von dem Vorfall und befragte Professor Jörg Ennuschat, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht an der Ruhr-Universität Bochum.

Im gestrigen Beitrag habe ich Palmers Verhalten an § 26 PolG B-W gemessen. Wenn man es ganz genau nimmt, muss man unterscheiden, zu welchem Zweck er die Identität festgestellt wissen wollte. Geht man von der Schilderung Palmers aus, wonach der Student lautstark randalierte und er daraufhin eingeschritten sei, erfolgte die Identitätsfeststellung wohl nicht zur Gefahrenabwehr, sondern um einen Verstoß gegen § 2 der polizeilichen Umweltschutzverordnung der Stadt Tübingen (so der korrekte Name) zu verfolgen.

Der Student, der mich attackierte, hat absichtlich gegen §2 der örtlichen Polizeisatzung verstoßen: „Es ist verboten, in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr die Nachtruhe anderer mehr als nach den Umständen unvermeidbar, insbesondere durch lärmende Unterhaltung, Singen, Schreien oder Grölen zu stören.“ Hierfür ist ein Ordnungsgeld bis 5000 Euro vorgesehen.
Aus diesem Grund war ich berechtigt, seine Personalien festzustellen.

Das habe ich klar und deutlich mit meinem Dienstausweis verlangt.

Boris Palmer, Facebook, 26.11.2018

Wenn das so ist, Boris Palmer also die Identität nicht auch feststellen wollte um befürchtete weitere Ruhestörungen zu verhindern, dann dürfte Herr Palmer die Identität zwar auch feststellen, weil er dann nach § 18 Abs. 3 PolG B-W zuständig war und sich auf § 46 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 163b StPO stützen konnte.

Er hat dann aber ein ganz anderes Problem:
Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht ist der Beschuldigte, wie im Strafverfahren, zu belehren, § 46 Abs. 2 OWiG i.V.m.§ 136 StPO. Ich glaube kaum, dass das im Eifer des Gefechts geschehen ist.

 

Boris Palmer – Tübingens Batman

Tübingen, das Gotham City Baden-Württembergs – Boris Palmer als Batman. Einer Meldung von ntv.de zufolge soll er einem 33 Jahre alten Studenten und seiner Begleitung nachgelaufen sein, nach dem diese etwas zu ihm gesagt hätten. Was genau der Student zu ihm sagte, ist umstritten. Boris Palmer habe den Studenten dann aufgefordert sich auszuweisen. Auch ein Foto soll der Oberbürgermeister gemacht haben. Als Chef des Ordnungsamtes sei er dazu auch befugt gewesen. Er gab auf seinem Facebookprofil ferner an, in dem Verhalten des Studenten sei eine Störung der Nachtruhe zu sehen gewesen, weshalb dieser nun im Nachgang auch ein Ordnungsgeld zahlen müsse.

Die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters

Hinsichtlich der Zuständigkeit hat Herr Palmer jedenfalls recht. Nach § 62 Abs. 4 S. 1 PolG B-W sind die Gemeinden Ortspolizeibehörden. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind diese auch allgemein sachlich zuständig, § 66 Abs. 2 PolG B-W. Nach § 44 Abs. 3 S. 1 GemO B-W ist der Bürgermeister für die Erledigung von Weisungsaufgaben innerhalb der Gemeinde zuständig. Dass es sich bei den Aufgaben nach dem Polizeigesetz um Weisungsaufgaben handelt, folgt aus § 62 Abs. 4 S. 2 PolG B-W.

Der Ausweis

Die Rückseite des Ausweises, den Boris Palmer vorzeigte

Also das dieser Ausweis den Betroffenen nicht überzeugte, ist ja nur sehr schwer vorstellbar.
Es stimmt schon nicht, dass dieser Ausweis, den Inhaber zu irgendetwas berechtigt. Das Gesetz berechtigt den Inhaber. In den Händen des republikweit bekannten Oberbürgermeisters von Tübingen dürfte ein Ausweis, der die Stellung als Organ der Stadt (und damit als der für den Vollzug bestimmter Gesetze Zuständige), kenntlich macht, auch überflüssig sein. Ich stelle mir die Situation daher ein wenig merkwürdig vor. Da steht ein gestandener Politiker und versucht mit einem bedeutungslosen Ausweis einen Bürger davon zu überzeugen, dass er polizeiliche Befugnisse wahrnehmen darf, die auf dem Ausweis nicht ausdrücklich vermerkt sind. Klar sind die dienstlichen Aufgaben auch die der Ortspolizei. Für den Oberbürgermeister sind aber, wie wir gesehen haben, alle Weisungsaufgaben, die den Gemeinden übertragen wurden, dienstliche Aufgaben und für den Bürger ist es alles andere als alltäglich, vom Oberbürgermeister polizeilich in Anspruch genommen zu werden.

Die Identitätskontrolle

Falls, wie von ihm auf seiner Facebookseite behauptet, eine Störung der Nachtruhe tatsächlich vorlag, wäre er nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG B-W in der Tat berechtigt gewesen, die Personalien festzustellen. Hierzu hätte er, falls eine Identitätsfeststellung nicht sicher möglich gewesen wäre, den Betroffenen auch „zur Dienststelle“ verbringen können, was in seinem Fall dann wohl doch wieder eine Stelle des Polizeivollzugsdienstes gewesen wäre. Ob davon auch das Fotografieren umfasst ist, wird man in diesem Fall wohl bejahen können. Die Aufzählung in § 26 Abs. 2 PolG B-W ist nicht abschließend und das Foto dürfte auch die zweckmäßigere Maßnahme gewesen sein, um die Situation nicht noch weiter zu eskalieren. (Wie sich hierzu die §§ 19, 21 PolG B-W verhalten, habe ich mir jetzt nicht näher angeschaut, dass überlasse ich den interessierten Lesern.)

Die sogenannten Standardbefugnisse müssen aber auch, wie jedes staatliche Handeln, verhältnismäßig sein. Sollte Boris Palmer tatsächlich den Streit (mit) heraufbeschwört haben, dürfte es mit der Verhältnismäßigkeit der Identitätsfeststellung nicht ganz so einfach werden. Ob der Politiker diesen Streit wirklich vor einem Verwaltungsgericht geklärt sehen will, mag ich bezweifeln.

Die Unschuldsvermutung

Dass Boris Palmer die Polizeiarbeit lieber seinen geschulten Mitarbeitern des ihm unterstellten Ordnungsamtes oder der „richtigen“ Polizei überlassen sollte, sieht man daran, dass ihm in seiner Äußerung auf Facebook die Unschuldsvermutung (an mehreren Stellen) völlig egal ist. Die gilt nämlich auch im Ordnungswidrigkeitenrecht und ist auch von (Ober-)Bürgermeistern zu beachten.

Wenn die Presse nun daraus macht, der Student sei belästigt worden, so verkennt das die Rechtslage und macht aus dem Täter ein Opfer.

Boris Palmer, Facebook, 26.11.2018

Da sich der Vorfall am 13.11. ereignet haben soll, kann, stand heute, ein Bußgeldbescheid nur bestandskräftig geworden sein, wenn der betroffene Student auf Rechtsmittel nach Erhalt des Bußgeldbescheides verzichtete oder einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückgenommen hätte. Nur dann könnte man den Studenten auch als „Täter“ bezeichnen. Von beidem ist aber nicht auszugehen. Soweit es also um seine Rechte geht, ist Boris Palmer umfassend informiert, soweit es um die von ihm zu beachtenden Pflichten geht, sieht es nicht ganz so gut aus.

Schweizer lehnen Verfassungsänderung ab

Die Schweizer haben per Volksentscheid die umstrittene Änderung der Verfassung abgelehnt.  Es sollte ausdrücklich geregelt werden, dass die Schweizer Verfassung dem Völkerrecht grundsätzlich vorgehe. Zur Rechtslage in Deutschland hatte ich mich schon geäußert. Alle notwendigen Informationen findet man auf dieser Seite des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement. Sie enthält auch die Stellungnamen der beteiligten Institutionen.

Verfassungsvorrang vor Völkerrecht

Andreas Zumach echauffiert sich heute in der TAZ über eine Initiative der Schweizer Volkspartei (SVP) die Schweizer Verfassung mittel Volksentscheid so zu ändern, dass sie dem Völkerrecht vorgeht. Es wird mit einer Ablehnung gerechnet. Dem Autor hätte etwas mehr Gelassenheit im Umgang mit rechten Initiativen gut getan. So hätte er mit Blick auf Art 59 Abs. 2 GG bzw. Art 25 GG und in einen gängigen Kommentar dazu, beispielsweise Leibholz/Rinck/Hesselberger in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 77. Lieferung 10.2018, Art. 59 GG, Rn. 106-156, insb. Rn. 121, festgestellt, dass die beabsichtigte Änderung in Deutschland bereits seit 1949 Realität ist.

Für Europarecht gilt hingegen Art 23 Abs. 1 S. 3 GG. Danach steht das Europarecht grundsätzlich auch über der Verfassung, soweit nicht der unveränderliche Kern der Verfassung betroffen ist, Art 79 Abs. 3 GG. Wenn man sich die Klimmzüge anschaut, die das Bundesverfassungsgericht in Solange I (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1974 – 2 BvL 52/71 –, BVerfGE 37, 271-305), Solange II (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 2 BvR 197/83 –, BVerfGE 73, 339-388) und Maastricht (BVerfG, Urteil vom 12. Oktober 1993 – 2 BvR 2134/92 –, BVerfGE 89, 155-213) hingelegt hat, sieht man auch, wie schwierig dieses Verhältnis sein kann.

Im Ergebnis aber kann der Gesetzgeber, der die Ausübung von Hoheitsbefugnissen auf die Europäische Union überträgt, Organe und Stellen der EU prinzipiell umfassend vom deutschen Grundrechtsschutz ausnehmen (Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 77. Lieferung 10.2018, Art. 23 GG, Rn. 33). Dazu würde mich ja mal die Mehrheitsmeinung in Deutschland interessieren. Eine Debatte über eine so weit gehende Ermächtigung ist mir jedenfalls nicht erinnerlich. Sie wurde 1992 in das Grundgesetz eingefügt.

Zwangshaft ohne Rechtsgrundlage?

Dieselfahrverbote beschäftigen bald wieder den EuGH. Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 20. November 2018, Az.: 22 C 18.1718 dem EuGH die Frage vorgelegt, ob in der Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen gegen Amtsträger auch Zwangshaft unionsrechtlich geboten bzw. möglich ist.

Sachverhalt

Ausgangspunkt ist der Streit der Deutschen Umwelthilfe mit dem Freistaat Bayern um Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in München. Das Verwaltungsgericht München hat bereits 2012 rechtskräftig die Stadt München zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans verurteilt. Festgesetzte Zwangsgelder führten nicht zur Umsetzung des Urteils. Auf die Folgen, auch im Zusammenhang mit Dieselfahrverboten, habe ich bereits hier hingewiesen.

Nun soll also die Zwangshaft das Problem lösen. Der Verwaltungsgerichtshof stützt sich auf ein Urteil des EuGH vom 19. November 2014 (Az. C-404/13), wonach die Gerichte verpflichtet sind, gegenüber den nationalen Behörden „jede erforderliche Maßnahme zu erlassen“, um die Einhaltung der europäischen Luftreinhalterichtlinie (Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008) sicherzustellen.

Rechtlicher Hintergrund

Hierzu sollte man wissen, dass die Vollstreckung von Urteilen gegen „den Staat“ in der VwGO dem Wortlaut nach unterschiedlich ausgestaltet ist. Zentrale Vorschrift ist § 172 VwGO:

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

§ 172 VwGO

Erfasst sind damit folgende Fälle:

  • § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO – die Vollzugsfolgenbeseitigung; typischer Fall: Die Polizei stellt einen Gegenstand sicher; beispielsweise ein vermeintlich nicht StVO und StVZO konformes Fahrrad. Die Sicherstellung ist ein Verwaltungsakt, der mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Gewinnt der Kläger das Verfahren, ist zwar die Sicherstellung durch das Gericht aufgehoben worden, er hat aber das Fahrrad immer noch nicht zurück. Die Herausgabe kann der Kläger mittels eines weiteren Antrages über § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO erreichen. Gibt die Polizei das Fahrrad dann nicht heraus, stehen als Vollstreckungsmöglichkeiten nur Zwangsgelder zur Verfügung
  • § 113 Abs. 5 VwGO – die Verpflichtungsklage; typischer Fall: Man verlangt von der Behörde den Erlass eines Förderbescheides oder den Erlass einer Baugenehmigung. Wird die Behörde durch Urteil dazu verpflichtet den Verwaltungsakt zu erlassen und weigert sich dann, stehen für die Vollstreckung wiederum nur Zwangsgelder zur Verfügung. Das Gericht kann übrigens den begehrten Verwaltungsakt aufgrund der Gewaltenteilung nicht selbst erlassen.
  • § 123 VwGO – einstweilige Verfügungen – Die typischen Fallgestaltungen ähneln den oben beschriebenen Situationen, nur dass sie auch noch besonders eilig sind.

Wortlaut des § 172 VwGO erfasst Klagen auf Fortschreibung der Luftreinhaltepläne nicht

Bei den Klagen zur Fortschreibung der Luftreinhaltepläne handelt es sich nun um allgemeine Leistungsklagen, weil die jeweilige Stadt zu einem Handeln gezwungen werden soll. Es soll kein Verwaltungsakt erlassen werden und das Gericht stellt auch nicht einfach nur ein Rechtsverhältnis fest. Auf diese allgemeinen Leistungsklagen wäre § 172 VwGO dem Wortlaut nach gar nicht anwendbar, weshalb über die Verweisung des § 167 Abs. 1 VwGO die Vorschriften der ZPO gelten würden. Nach § 888 ZPO wäre Zwangshaft möglich.

Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung wendet den § 172 VwGO jedoch auch auf allgemeine Leistungsklagen mit dem Argument an, dass ja auch § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO ein Fall der Leistungsklage ist. Es ist daher nicht einzusehen, warum eine Leistungsklage, der ein Verwaltungsakt vorausgegangen ist, anders zu behandeln sei, als eine reine Leistungsklage. Ein Verweis in § 172 VwGO auf die allgemeine Leistungsklage fehle auch nur deshalb, weil in der VwGO eine allgemeine Leistungsklage nicht ausdrücklich geregelt sei (instruktiv auch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27. Februar 2017 – 22 C 16.1427 –, juris).

Mögliche Folgen der Entscheidung des EuGH

Sollte der EuGH also die Anordnung von Zwangshaft für notwendig erachten, wird der § 172 VwGO wohl wieder auf seinen Wortlaut zu reduzieren sein, um eine Rechtsgrundlage über den Verweis in die ZPO zu schaffen. Ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage, oder nur gestützt auf ein Urteil des EuGH, wird man jedenfalls einen Menschen nicht ins Gefängnis stecken können, Art 104 Abs. 1 GG. Dabei gilt es auch zu beachten, dass generalklauselartige Formulierungen gerade nicht ausreichen. Die in der Vorlagefrage angesprochenen  „Maßnahmen“ genügen dem nicht.

Von heiligen, unantastbaren Gerichten

Die Dieselfahrverbote beschäftigen immer noch die Republik. Die Bundesregierung plant nun sogar die Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes, um Dieselfahrverbote zu verhindern. Einen instruktiven Beitrag dazu findet man hier.

Gut, dass der Gesetzgeber endlich eingreift! Dann brauchen sich die Städte und Gemeinden auch endlich nicht mehr anhören, sie würden Gerichtsentscheidungen ignorieren. Obwohl das in unterschiedlichem Maße gerade en vogue ist, fährt man damit doch eher negative als positive Publicity ein. Am Ende fragt noch jemand, warum er sich eigentlich noch an gerichtliche Entscheidungen halten soll, wenn der Staat es selbst nicht tut. Spoileralarm: es hat was mit dem Frieden in der Gesellschaft zu tun.

In diesem Zusammenhang taucht dann natürlich auch immer folgendes Argument in der ein oder anderen Spielweise auf:

Doch, doch – man darf Gerichte inhaltlich kritisieren, die sind nicht sakrosankt. Und der Instanzenweg steht jedem offen. Frank Bräutigam, SWR

Sein Kommentar zeigt ein (aufziehendes) Missverständnis auf, dem ich hier vorbeugen möchte. Es geht bei der Debatte um die Beachtung gerichtlicher Entscheidungen nicht darum, ob sie kritiklos hinzunehmen sind oder nicht. Der Rechtsstaat, allemal der demokratische, stirbt doch nicht, weil sich Richter Kritik an ihren Entscheidungen anhören müssen. Der Richter muss sogar regelmäßig Kritik an seinen Entscheidungen zur Kenntnis nehmen, sei es, weil die Instanzgerichte die Entscheidungen aufheben, sei es, weil „die Wissenschaft“ die Entscheidung als systemwidrig brandmarkt.

Der Punkt ist ein anderer: rechtskräftige Entscheidungen sind zu befolgen. Es geht in den Fällen der Dieselverbote, der Stadthalle – „der Problembär sitzt in Karlsruhe“ – von Wetzlar und Sami A. allein darum, dass die Folgen einer rechtskräftigen Entscheidung nicht gewünscht sind und daher die Urteile nicht umgesetzt werden. Wenn das Schule macht, können wir uns die Kritik an Urteilen bald auch sparen, zusammen mit den Gerichten.

Googles Verständnis von „optional“

Die Optionspflicht?

Nutella – Warnungen

Den Sinn dieser „Warnung“ dürfte wohl nur Ferrero selbst kennen:

  1. „Schablonen sind kein Spielzeug.“ – Was soll mir das sagen? Üblicherweise ist etwas kein Spielzeug, wenn es gefährlich ist. Das wäre keine gute Eigenschaft, für eine Deko-Schablone. Außerdem richtet sich dieser Hinweis regelmäßig an Kinder. Vielleicht soll mir die Warnung auch nur sagen, dass ich sie nicht zu meinen Legosteinen tun soll.
  2. „Unter Aufsicht von Erwachsenen nutzen.“ – Der Hinweis richtet sich also an Kinder. Erwachsenen muss man das schließlich nicht sagen. Er richtet sich der Formulierung nach auch nicht an Eltern und Kinder gemeinsam. Es würde dann heißen: Kinder bei Verwendung beaufsichtigen. Dabei kann man sich weiter fragen, an welche Kinder sich das richten soll. Gemessen an der Größe der Deko-Schablone wohl an unter Dreijährige. Die können in aller Regel aber noch nicht lesen. Die Verwendung der Deko-Schablone durch über Dreijährige halte ich aber für völlig bedenkenlos.
  3. „Lesen und aufbewahren.“ – Das ist kein Satz. Ich befolgte es aber trotzdem und habe es auf eine Milchtüte geklebt. Die Milchtüte ist zwar 220 km entfernt, aber die Warnung ist aufbewahrt; soweit man davon ausgeht, dass sich das „aufbewahren“ nicht auf die Deko-Schablone bezieht.
  4. „Vor dem erstmaligen Gebrauch sowie danach mit der Hand spülen.“ – Also nach dem zweiten Gebrauch (davor ist ja gleichzeitig nach dem ersten) muss die Schablone nicht mehr gespült zu werden (und zwar von Hand; mit der Hand suggeriert, es dürfe nur mit einer Hand gespült werden). Sie kann dann bedenkenlos in den Geschirrspüler wandern oder gar nicht mehr gespült werden. Vermutlich ist die Gefährlichkeit der Schablone nach der ersten Verwendung verschwunden. Es befinden sich also möglicherweise gefährliche Weichmacher in der Schablone oder Kleberrückstände des Warnzettels. In ersterem Falle würde ich aber unbedingt zur chemischen Keule des Geschirrspülers raten. In letzterem Falle auch, aber dann würde das Aufkleben der Warnung erst den Grund für diese Warnung geben. Gemeint war bestimmt: Vor und nach jedem Gebrauch von Hand spülen.
  5. „Vor Verwendung als Deko-Schablone abstehende Kunststoffreste entfernen“ – Sehr gut! Ich wollte die Schablone ohnehin als Untersetzer verwenden. Abstehende Kunststoffreste sind nämlich bei einer anderweitigen Verwendung weder störend noch bedenklich. Ich vermute, Ferrero meinte: Abstehende Kunststoffreste entfernen
  6. „MADE IN GERMANY“ – ACHTUNG! WARNUNG! MADE IN GERMANY!!!
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