Folgender Fall: K verklagt B auf
Zahlung von 10.000 €. Noch vor der mündlichen Verhandlung erklärt K
schriftsätzlich den Rechtsstreit i.H.v. 1.000 € für erledigt. Richter P übersendet
formlos den Schriftsatz zur Stellungnahme an den B. Drei Wochen später fällt P
im Rahmen der Terminierung auf, dass sich B bisher nicht zur Erledigung erklärt
hat. P überlegt, ob er die Folgen von § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO noch herbeiführen
kann.
§ 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache
(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(2) …
§ 91a ZPO
§ 91a Abs. 1 S. 2 ZPO hat folglich folgende
Voraussetzungen: 1. Erledigungserklärung des Klägers, 2. Widerspruch, 3. innerhalb
einer Notfrist von zwei Wochen, 4. Zustellung des Schriftsatzes und 5. Hinweis
auf die Folgen des Abs. 1.
In unserem Beispielsfall stellt sich somit die Frage, ob P den
Erledigungsschriftsatz noch einmal an den B unter Beifügung des Hinweises nach §
91a Abs. 1 ZPO zustellen muss, oder ob er in der mündlichen Verhandlung den B
nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO belehren kann, und dies nach Ablauf von zwei Wochen die
Folgen des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO herbeiführt. Schließlich käme auch im Betracht
einfach nur den Hinweis unter Verweis auf den schon bekannt gegebenen
Schriftsatz zuzustellen. Der Beklagte wird in der mündlichen Verhandlung zwar
regelmäßig einen Antrag auf Klageabweisung stellen und damit konkludent wohl
auch der Erledigungserklärung des Klägers widersprechen, weil die
übereinstimmende Erledigterklärung (abgesehen von dem Ausnahmefall der Gebührenziffer
GKG KV 1211 Nr. 4) für den Beklagten keinerlei Vorteile bringt (er erhält keine
rechtskraftfähige Entscheidung, ist nach herrschender Meinung einer möglichen
erneuten Klage des Klägers ausgesetzt, ist auf billiges Ermessen bei der
Kostenentscheidung verwiesen und erspart regelmäßig keine Gerichtskosten, wie
GKG KV 1211 Nr. 4 zeigt). Es ist aber durchaus denkbar, dass der Beklagte sich
zur Erledigungserklärung des Klägers nicht erklären möchte. Dem kann man auch
nicht entgegenhalten, dass sich der Beklagte eben in der mündlichen Verhandlung
wird entscheiden müssen. Grundsätzlich steht es nämlich den Parteien frei bis
zum rechtskräftigen Abschluss eine Erledigungserklärung abzugeben (BeckOK
ZPO/Jaspersen ZPO § 91a Rn. 22-23.1.).
Lässt man also grundsätzlich zu, dass auch in der und
nach der mündlichen Verhandlung ein Schwebezustand hinsichtlich einer
Erledigungserklärung des Klägers eintreten kann, stellt sich die Frage, ob die
Belehrung nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO nachgeholt werden kann. Nähme man an, dass
P in unserem oberen Beispielsfall einen entsprechenden Hinweis in der
mündlichen Verhandlung gibt und diesen protokolliert, stehen prinzipiell zwei
Zeitpunkte für den Fristbeginn zur Verfügung. Zum einen könnte die
Zweiwochenfrist bereits mit Abgabe des Hinweises beginnen zu laufen. Dies
dürfte aber mit dem Wortlaut von § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO nicht zu vereinbaren
sein, da dieser die Zustellung eines Schriftsatzes fordert. Der mündliche
Hinweis ist aber nicht die Zustellung eines Schriftsatzes. Als nächstes könnte
man an den Zeitpunkt denken, an dem das Protokoll dem Beklagten zugestellt (um
die Folgen des § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO herbeizuführen) wurde. Dann müsste
aber das Protokoll einen Schriftsatz darstellen. Dies dürfte aber ebenfalls mit
der ZPO nicht zu vereinbaren sein. § 496 ZPO unterscheidet beispielsweise
deutlich zwischen Schriftsätzen und Erklärungen zu Protokoll. Noch deutlicher
drückt die Unterscheidung zwischen Schriftsatz und Erklärungen zu Protokoll §
129 Abs. 2 ZPO aus. Das Protokoll müsste darüber hinaus ohnehin erneut die
Erledigungserklärung des Klägers enthalten, da § 91 Abs. 1 S. 2 von einer
Zustellung des Schriftsatzes, der die Erledigungserklärung des Klägers enthält,
spricht.
Man wird sich hier also Gedanken um eine analoge
Anwendung von § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO machen müssen, für die einiges sprechen
dürfte. Verlangen wird man aber in jedem Fall müssen, dass dem Beklagten das
Protokoll mit dem Hinweis zugestellt wird. Nur so hat er über die gesamten zwei
Wochen den verschriftlichten Hinweis auf die Folgen seines Schweigens vor
Augen.
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