Prozesskostenhilfe – mal eben.

Ach mal eben noch der PKH-Beschluss …

Ich, vor zweieinhalb Stunden

Ich bin in einem PKH Verfahren auf ein triviales Problem gestoßen. Schuld daran ist pkh-rechner.de. Dort nehme ich manchmal Kontrollrechnungen vor. In meinem jetzigen Fall warf die Seite folgendes aus:

Die PKH-fähigen Prozesskosten belaufen sich bei einem Streitwert von x Euro auf voraussichtlich y Euro. …

pkh-rechner.de

Ich habe versucht den Wert y nachzurechnen, komme aber einfach nicht auf diesen Wert, sondern nur stark in dessen Nähe. Es kommt in meinem Fall zum Glück nicht darauf an, aber sollte es einmal darauf ankommen, muss ich klären, was § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO mit „Kosten der Prozessführung“ eigentlich meint. Die kann man nämlich auf zwei verschiedene Arten berechnen.

Zum einen kann man auf die normalen Gebühren für Rechtsanwälte abstellen, die sich aus § 13 Abs. 1 S. 2 RVG ergeben. Zum anderen kann man aber auf die Gebühren aus § 49 RVG abstellen, welche niedriger ausfallen, als die Gebühren aus § 13 RVG. Nur diese niedrigeren Gebühren können Rechtsanwälte von der Staatskasse fordern. Sie werden also bei der Prozesskostenhilfe an der Erbringung der Sozialhilfe beteiligt. Die Differenz erhalten sie erst, wenn der Mandant später zahlungsfähig wird.

Aus dieser unterschiedlichen Berechnung ergeben sich nun unterschiedlich hohe „Kosten der Prozessführung“. pkh-rechner.der verweist jetzt nur auf die „PKH-fähigen Prozesskosten“. „PKH-fähig“ sind nur die niedrigeren Gebühren des eigenen Rechtsanwaltes und die Gerichtsgebühren (die Gebühren des gegnerischen Rechtsanwaltes muss man stets selbst tragen, § 123 ZPO). Ich würde jetzt aus dem Bauch heraus sagen, dass „Kosten der Prozessführung“ die normalen Rechtsanwaltsgebühren meint. Alles andere wäre komisch. Es könnte dann die Situation eintreten, dass der Antragsteller nicht in der Lage ist, die höheren Kosten der Prozessführung zu tragen, weil er nicht genügen Einkommen und/oder Vermögen hat, ihm PKH aber mit dem Argument verweigert wird, er könne sich eben doch die (nierdriger berechneten) Kosten der Prozessführung leisten.

Instruktiv, aber zur hiesigen Frage nicht ertragreich, Dölling: Die Vier-Raten-Grenze im Pkh-Bewilligungsverfahren NJW 2016, 207

Zum Abschluss:

Bemittelte und unbemittelte Parteien sollen bei der Ausübung des rechtlichen Gehörs und des Zugangs zu den Gerichten gleichgestellt werden. Dies sicherzustellen, ist die Aufgabe der PKH. Abs. 1 S. 1 legt als Grundnorm der PKH die allgemeinen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe fest. Abs. 1 S. 2 ist auf Grund von § 1076 überflüssig. Abs. 1 S. 2 wurde auch tatsächlich nur eingeführt, um der Praxis das Finden der §§ 1076 ff. zu erleichtern, offenbar ein neuer Service des „Gesetzgebers“.

Musielak/Voit/Fischer, 15. Aufl. 2018, ZPO § 114 Rn. 1
(Hervorhebung von mir)

Fundstück(2)

EINZELPAARE – ist das getrennt oder zusammengeschrieben? Sind damit einzelne Paare gemeint? Vielleicht sind auch Paare gemeint, die nur noch einzeln im Geschäft vorhanden sind? Außerdem dürften „Einzelpaare“ eine genauso deutsche Wortschöpfung sein, wie die „Doppelhaushälfte“.

Markus Söder bald Monarch(2)

Dass man so schnell eine Fortsetzung schreibt, hätte ich nun nicht gedacht. Wie LTO berichtet, hat nun auch das VG München (Beschl. v. 24.01.2019, Az. M 19L DA 18.3381) entschieden, dass die Angabe, man besitze die Staatsangehörigkeit des Königreich Bayerns, nicht reiche, um jemanden als Reichsbürger zu qualifizieren. Ich halte das für nachvollziehbar. Denn es geht ja nicht darum, ob man Reichsbürger ist oder nicht, sondern darum, wie es der Betreffende mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung hält.

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Juristensprache

Es gibt Worte, die klingen so … artifiziell, dass zumindest ich sie ein Stück weit komisch finde. Klassischer Vertreter und ungeschlagen an der Spitze ist m.E. „der Unterfertigte“.

Der Unterfertigte versichert die anwaltliche Bevollmächtigung

Ich mag nicht ausschließen, dass ich das Wort nicht richtig verstehe, aber es sollte eigentlich „der Unterfertigende“ heißen, oder? Es kommt schließlich von „unter“ und „fertig“. Das Verb dazu ist ja auch „unterfertigen“, also sollte die Person doch „der Unterfertigende“ sein. Es ist ja auch „der Fertigende“ und nicht „der Fertigte“. „Der Unterfertigte“ wäre, wenn das eine zusammengesetzte Form des Partizip II von „fertigen“ sein soll, ja gerade der, der selbst unterschrieben ist. Aber ich bin kein Sprachwissenschaftler. Vielleicht lasse ich mir das mal von einem mit mehr Ahnung erklären. Bis dahin kicher ich weiter in mich hinein, wenn ich das Wort lese.

Heute habe ich dann einen weiteren Vertreter in den Akten gefunden:

Im Falle der Klage bittet der Unterzeichner um Passivrubrizierung.

Sinngemäßes Zitat

Die Passivrubrizierung, wer kennt sie nicht? Damit bittet ein Rechtsanwalt den gegnerischen Rechtsanwalt im Falle einer Klage gegen seinen Mandanten, ihn bereits in der Klage als Prozessbevollmächtigten des (zukünftig) Beklagten zu benennen, damit die Klage gleich ihm und nicht erst seinem Mandanten zugestellt wird.

Das Wort kommt von „Passivrubrum“, welches die Beklagtenseite (einschließlich ihrer Prozessbevollmächtigten) bezeichnet. Üblicherweise weiß man nämlich als zukünftiger Klägervertreter nicht, ob der gegnerische Anwalt auch für die Prozessführung mandatiert ist. Daher lässt man (aus anwaltlicher Vorsicht, wenn bspw. Fristen relevant sind) den gegnerischen Rechtsanwalt bei der Klageerhebung außen vor.

Das „Rubrum“ der Klageschrift sieht in der Praxis so aus wie das Rubrum des Urteils, ist aber eigenständig in § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO geregelt und heißt richtigerweise nur im Urteil Rubrum. Das Wort selbst kommt vom lateinischen „rubrum“ und bedeutet „das Rote“, ist also eine Substantivierung von „ruber“ = rot. Zurückzuführen ist das auf den Umstand, dass früher der Urteilskopf mit roter Tinte geschrieben wurde.

Markus Söder (CSU) bald Monarch?

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße entschied mit Urteil vom 07. Januar 2019, Az 5 K 836/18.NW, dass dem Kläger die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht allein deshalb fehle, weil dieser auf einem Formular angab, im Königreich Bayern (Deutschland) zu leben. Das allein mache ihn noch nicht zum Reichsbürger.

Die Pressemitteilung kann man hier abrufen.

Hmm Richter am königlichen Staatsgerichtshof klingt irgendwie sperrig. Und Urteile die im Namen seiner/ihrer Majestät ergehen, ich weiß ja nicht.

LG Osnabrück – Verurteilung einer Politikerin wegen Wahlbetruges

juris berichtet von einem Verfahren vor dem LG Osnabrück, das die Verurteilung einer Politikerin durch das Amtsgericht Bersenbrück wegen Wahlbetruges bestätigte. Hierfür gab es 8 Monate Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Wahlbetrug meint hier Wahlfälschung in fünf Fällen (§ 107a StGB), davon in vier Fällen in Tateinheit mit Verleitung zur Ableistung einer falschen Versicherung an Eides statt (§ 160 StGB). Es konnte hier bei der geständigen (und vermutlich auch nicht vorbestraften) Angeklagten auch nicht bei einer Geldstrafe bleiben, weil die „Verteidigung der Rechtsordnung“ eine Freiheitsstrafe gebiete. Diese Formulierung verwendet das Gesetz im Rahmen von § 47 Abs. 1 StGB. Danach verhängt das Gericht eine Freiheitsstrafe von unter 6 Monaten nur, wenn (u.a.) die Verteidigung der Rechtsordnung das unerlässlich mache. Auf den Fall hier ist § 47 Abs. 1 StGB nicht anwendbar. Gleichwohl kann diese Wertung herangezogen werden, um auch bei einer erstmaligen Verurteilung gleich zur Freiheitsstrafe, statt zur Geldstrafe zu greifen.

Bevor man hier aber vorschnell die Fackeln herausholt, sei angemerkt, dass solche Fälle in verschiedenen Schweregraden gerade im ländlichen Bereich durchaus vorkommen. Ich hatte auch schon so einen Fall zu verhandeln. Der Angeklagte soll die Unterstützerunterschriften (5 meine ich) am letzten Tag der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen selbst auf das Formular gesetzt haben. Das geschah zwar alles mit Einverständnis derjenigen, deren Unterschriften dann auf dem Formular erschienen. Voraussetzung war aber, dass die Unterschriften persönlich von den Wahlberechtigten aufgebracht wurden. Der Angeklagte wurde dann auch zum Bürgermeister gewählt, nahm die Wahl aber nicht an, weil zu diesem Zeitpunkt alles bereits durch die Rechtsaufsicht bekannt wurde.

Das Verfahren haben wir, wenn ich mich recht erinnere, gegen Auflagen eingestellt.

Der Fall des LG Osnabrück unterscheidet sich gegenüber meinem Fall doch erheblich. Die Angeklagte soll hier die Initiative bei allen verurteilten Taten ergriffen haben und in erheblichem Maße planvoll vorgegangen sein. In meinem Fall war es eher der Telefonanruf mit der Frage „Hey Rudi, du wolltest mich doch bei der Wahl unterstützen, kommst du kurz vorbei und unterschreibst? – Ne kann nicht, mach du mal für mich, meine Stimme hast du!“

Literaturempfehlung zu Verkehrsunfällen; Akteneinsicht und Polizei

Ich habe hier gerade einen Verkehrsunfall auf dem Tisch. Das ist Alltag an den Amts- und Landgerichten; mir macht das trotzdem immer noch Freude. Ein echtes Goldstück zur Bewältigung von Verkehrsunfällen wurde mir im Referendariat von meinem damaligen Ausbildungsrichter in der Zivilstation mit den Worten empfohlen:

Hier, lies das! Danach hast du Verkehrsunfälle in 95 % aller Fälle drauf.

Ein unbenannter Ausbildungsrichter des Landgerichts Leipzig

Recht hatte er. Es handelt sich um folgenden Aufsatz: Thomas Schauseil Die Abwägung der Verursachungsbeiträge nach einem Kfz-Unfall, MDR 2008, 360-364. Sollte man bei Juris finden. Der Beitrag ist zwar schon 10 Jahre alt, an der Systematik hat sich aber nichts geändert.

Im Rahmen der zivilrechtlichen Streitigkeiten wird man regelmäßig auch auf die schon abgeschlossenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zurückgreifen können, so es welche gab. In meinem Fall ist das so. In der beigezogenen Strafakte finde ich eine vorgedruckte Antwort, die die Polizei auf die Akteneinsichtsgesuche der unterschiedlichen Beteiligten (im weiteren Sinne) hin übersendet:

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Ein Minimum an Sachlichkeit(2)

Annette Ramelsberger berichtet in der Süddeutschen Zeitung über das Versagen der ostdeutschen Justiz unter dem Titel Ganz normale Neonazis.
Als Aufhänger wählte sie den anstehenden Prozess über Carsten M., der zusammen mit seiner Freundin Martina H. am 1. Mai 2017 am Rande der Demonstration in Halle mit einem Auto Jagd auf Menschen gemacht und sie mit Steinen beworfen haben soll. Dieser Fall sei von der zuständigen Staatsanwältin zunächst beim Amtsgericht angeklagt gewesen, das Landgericht habe aber „übernommen“. Wer lesen will, wie Journalismus nicht funktionieren sollte, findet hier ein Beispiel.

Doch der Prozess zeigt auch, wie oft und wie ausgiebig die Justiz vor allem in den ostdeutschen Ländern rechte Gewalt verharmlost und übersieht.

Annette Ramelsberger – sueddeutsche.de vom 09.01.2019
Weiterlesen „Ein Minimum an Sachlichkeit(2)“

Logik für Juristen

Der persönliche Anwendungsbereich der HOAI lässt sich aus dem Wortlaut von § 1 HOAI 2013 nicht mit Sicherheit entnehmen. Schon unter Geltung der Vorgängerregelungen war zweifelhaft, ob sich die Vergütungsregelung auch auf Nichtarchitekten und Nichtingenieure erstreckt. Der Wortlaut („Architekten“ und „Ingenieure“) schließt dies nicht von vornherein aus, … .
(MüKoBGB/Busche, 7. Aufl. 2018, BGB § 632 Rn. 28)

(Hervorhebung im Original)

Frohes neues Jahr!


Ich wünsche allen ein fröhliches neues Jahr. Seit 01.01.2019 bekommt man beim Abschluss neuer Versicherungen noch mehr Papier in die Hand, weil die Versicherer den Verbrauchern zusätzlich ein (neues) Produktinformationsblatt zur Verfügung stellen müssen.

Die dazu geänderte Vorschrift ist § 4 der VVG-Informationspflichtenverordnung:

§ 4 Produktinformationsblatt

(1) Ist der Versicherungsnehmer ein Verbraucher, so hat der Versicherer ihm ein Produktinformationsblatt zur Verfügung zu stellen.

(2) Das Produktinformationsblatt ist nach der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1469 der Kommission vom 11. August 2017 zur Festlegung eines Standardformats für das Informationsblatt zu Versicherungsprodukten (ABl. L 209 vom 12.8.2017, S. 19) in ihrer jeweils geltenden Fassung zu erstellen; unter den Überschriften, die nach Artikel 4 Absatz 1 in Verbindung mit dem Anhang oder nach Absatz 4 der Durchführungsverordnung zu verwenden sind, sind die entsprechenden Informationen zu geben. Zusätzlich sind bei Versicherungsprodukten, die kein Versicherungsprodukt im Sinne des Anhangs I der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1) sind, die Prämie, die Abschluss- und Vertriebskosten und die Verwaltungskosten (§ 2 Absatz 1 Nummer 1) sowie die sonstigen Kosten (§ 2 Absatz 1 Nummer 2) jeweils in Euro gesondert auszuweisen; die Information ist unter der Überschrift „Prämie; Kosten“ als letzte Information zu geben.

(3) Diese Regelung gilt nicht für Versicherungsanlageprodukte im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) (ABl. L 352 vom 9.12.2014, S. 1; L 358 vom 13.12.2014, S. 50), die durch die Verordnung (EU) 2016/2340 (ABl. L 354 vom 23.12.2016, S. 35) geändert worden ist.

Alles klar, oder?

Inhalt dieses Blattes soll dann das Folgende sein (wobei ich die Aufzählung aus der Juris-App entnommen habe):

  • über die Art der Versicherung
  • den Umfang der gedeckten Risiken
  • Prämien und deren Zahlungsweise sowie über Ausschlüsse
  • Laufzeit sowie Anfangs- und Enddatum des Vertrags anzugeben
  • die Pflichten des Kunden, um Schäden vom Versicherer erstattet zu bekommen

Wozu eigentlich noch allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn wir dann noch AGB-light in Form eines Informationsblattes (das maximal drei Seiten umfassen darf) einführen, dass ohnehin wieder niemand lesen wird. Die Einzigen, die es lesen werden, werden Juristen sein und es wird auch von Juristien kommen. Eine neue Vorschrift von und für Juristen, schön.