Kleine Sammlung kurioser und halbernster juristischer Theorien

  • Schweinehundtheorie – Spitze Zungen behaupten diese Theorie und nicht das Gesetz sorge für das richtige Ergebnis, da ja alle ohnehin wüssten, wer im Fall „Oma gegen Versicherung“ gewinnt.
  • Die Schauckeltheorie des BVerfG
  • U-Haft schafft Rechtskraft – Der Beschuldigte wird in der Untersuchungshaft weichgekocht, gesteht um das Verfahren abzukürzen oder saß bereits solange, dass die Strafe ohnehin verbüßt ist, die hinterher rauskommt. Wer will da noch Rechtsmittel erheben?
  • Es verbietet sich jede schematische Lösung – Bereicherungsausgleich im Dreipersonenverhältnis: Sie verstehen nichts von Jura? Keine Sorge, das hier verstehen auch Juristen nicht, weswegen man lieber auf eine schematische Lösung verzichtet. Zur Anwendung kommt dann die Schweinehundtheorie?
  • iudex non calculat – der Richter rechnet nicht. Ja das wäre mal was. Tatsächlich spielen sich solche Szenen ab: Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass nach teilweiser Erledigterklärung nunmehr nur noch Zinsen gefordert werden, der Klageantrag aber auf einen unbegrenzten Zinszeitraum gerichtet ist. Es besteht auch nur ein Anspruch auf 5 Prozentpunkten statt 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, weil der Kläger keine Entgeltforderung geltend gemacht hat. Auch dürften die noch streitigen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nur aus einem Gegenstandswert von 4.000 € zu berechnen sein, statt aus 6.000 €, wobei nur eine 1,3 Geschäftsgebühr und keine 1,5 Gebühr nach § 13 RVG i.V.m. 2300 VV RVG zugrunde zu legen ist. Demnach ergibt sich nur eine Gebühr i.H.v. 327,60 €, denen noch 20 € nach Nr. 7001 u. 7002 VV RVG hinzuzusetzen sind und darauf dann nach 7008 VV RVG die Umsatzsteuer i.H.v. 66,04 € aufgeschlagen werden; mithin insgesamt 413,64 €. Falls der Kläger wegen Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG an der hälftigen Geltendmachung festhält, wäre der Antrag sachdienlich auf 206,82‬ € zu richten.
    Und wer hat eigentlich diesen Baumbach ins Kostenrecht gelassen?
  • Geld hat man zu haben – das stimmt natürlich erst mal nur für § 275 Abs. 1 BGB, wonach ein Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen ist , wenn die Leistung für jedermann oder den Schuldner unmöglich ist. Ich habe kein Geld! fällt nicht darunter. Anders kann es schon aussehen, wenn durch die Nichtzahlung des Schuldners wiederum der Gläubiger in Zahlungsschwierigkeiten kommt. Der Gläubiger muss in diesem Fall nicht zwingend Geld vorrätig halten.
  • Solange I, Solange II, Solange III, Jetzt reichts (I?), Das Bundesverfassungsgericht hatte sich häufig mit dem Verhältnis des Grundgesetzes und der Europäischen Union zu beschäftigen. Es hat die Beschwerdeführer salopp gesagt, stets damit „vertröstet“, dass alles schick ist, solange die EU den selben Grundrechtsstandard gewährleistet. Seit dem 05.02.2020 hat man mit der Jetzt reichts – Entscheidung einige Pflöcke in die Gegenrichtung eingeschlagen, zumindest mache man nicht mehr alles mit.
  • Zweite Reihe Rechtsprechung – Sie fragen sich, was § 240 StGB mit Gewalt meint? Sie wollten schon immer mal sehen, wie ein Kräftemessen der obersten deutschen Gerichte aussieht, hier ist Ihre Chance.
  • Man lässt sich nicht im Vertrauen auf das Handelsregister überfahren – A und B sind persönlich haftende Gesellschafter einer KG, D ist Kommanditist dieser KG. A überfährt mit dem Dienstwagen der KG den X. Wenn X jetzt Schadensersatz von D verlangt, stellt sich die Frage nach der Reichweite der handelsrechtlichen Haftung des D, § 176 HGB. Dabei werden die gesellschaftsrechtlichen Haftungs- und Vertrauensschutztatbestände i.d.R. nicht auf deliktische Ansprüche angewandt. Übrigens wer den Kommanditisten und den Komplementär der KG ständig durcheinanderhaut hier eine einfache Merkregel: Der Komplementär ist der, der „komplett“ haftet (also der persönlich haftende Gesellschafter). Alle andern sind Kommanditisten (also die, die nur mit ihrer Einlage haften).
  • Sittenwidrigkeit (bspw. § 138 BGB oder § 826 BGB): „Etwas ist sittenwidrig, wenn es dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Wie ermittelt der Richter das? Richtig, er fragt beim Abendessen seine Frau.“ (Vorlesung BGB AT 1. Semester)
  • Krähentheorie – Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, daher sind alle Richter eines kleines Amtsgerichts befangen, wenn einer als befangen abgelehnt wird und sein Kollege jetzt darüber befinden muss.
  • Fiktive nachträgliche Gesamtstrafenbildung (sog. Härteausgleich) bei mehreren Zäsurwirkung entfaltenden Urteilen – Wenn ich jetzt hier schreibe, dass der Mehrfachstraftäter so zu behandeln ist, als wenn alle seine (gesamtstrafenfähigen) Straftaten in einer Verhandlung abgeurteilt worden wären (und er damit einen Strafbonus bekommt) klingt das nicht nur falsch für den Nichtjuristen. Es ist aber auch viel zu kompliziert, dass näher zu erklären. Das zivilrechtliche Äquivalent kam dagegen regelmäßig vor:
  • Baumbachsche Formel – oben schon erwähnt, ein komplizierter Berechnungsmodus, für die Verteilung der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten. Ich meine sogar, es ist Schrödingers Baumbachsche Formel: Sie kommt in der Praxis gerade so häufig genug vor, dass man sie „regelmäßig“ benötigt. Sie kommt aber immer noch selten genug vor, dass man sich nicht merkt, wie sie funktioniert und dann doch wieder umständlich nachschlagen und nachvollziehen muss (selbst wenn man die angebotenen Programme nutzt).
  • Theorie der warmen Motorhaube – § 859 Abs. 3 BGB. Sie haben einen Privatparkplatz und jemand parkt auf diesem. Sie können sich nach LG Frankfurt NJW 1984, 183 durch Abschleppenlassen gegen diese „Störung“ des Besitzes zur Wehr setzen. § 859 Abs. 3 BGB verlangt nun aber, dass sie „sofort“ abschleppen lassen. „Sofort“ meint dabei herkömmlicherweise, dass die Besitzkehr so schnell wie nach objektiven Maßstäben möglich zu erfolgen habe ohne Rücksicht auf die subjektive Kenntnis der Entziehung. Nach der Theorie der warmen Motorhaube ist das Abschleppen jedenfalls dann nicht mehr rechtzeitig in diesem Sinne, wenn die Motorhaube des rechtswidrig parkenden Fahrzeugs bereits ausgekühlt ist. In diesem Fall stehe das Fahrzeug bereits zu lange. Die Rechtsprechung und herrschende Meinung hat sich dem jedoch nicht angeschlossen. Ein Abschleppen am selben Tag bzw. Abend ist auch noch ausreichend.

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