Temptation Island und eine gefährliche Parallele zur Beschuldigtenidentifikation


Ich habe Temptation Island geschaut und ein Phänomen erlebt, dass auch in der Praxis regelmäßig vorkommt und das mich trotzdem überrascht hat.

Konzept

„Temptation Island“ ist eine Reality-TV-Show, in der vier Paare getrennt voneinander auf einer Insel in verschiedenen Villen (eine für die Männer und eine für die Frauen) leben. Während ihres Aufenthalts sind sie von attraktiven Singles umgeben, die als „Verführer“ fungieren. Diese Verführer versuchen, die Beziehungen der Paare auf die Probe zu stellen, indem sie mit den Kandidaten flirten und Zeit verbringen. Die Moderatorin präsentiert dann den Vergebenen provokant zusammengeschnittene Szenen aus der jeweils anderen Villa.

Verwechslung

In der ersten Folge wurde einer der Verführer namens Antonio mit den sinngemäßen Worten geteasert, er habe hier die wahre Liebe gefunden. Nach den Teasern begann die Show. Es wurde schnell klar, dass der größte Star der Show die krass falsche Selbstwahrnehmung der Männer war, was Lola Weippert mit den Worten quittierte: „Ihr wisst schon, dass ihr hier beobachtet werdet?“ Adrian, einer der Kandidaten, ging dann während der ersten Partys auch richtig ab. Daher dachte ich die ganze Show über, er sei der Typ aus dem Teaser (Antonio) gewesen. Erst am Ende der Show, als klar war das es Adrian nicht war, habe ich voller Verwunderung erneut in die erste Folge geschaut und meinen Irrtum festgestellt. Zu dieser Zeit kannte man, anders als zu Beginn der Show, die wichtigsten Verführer und alle Kandidaten. Beide haben m.E. auch eine entfernte Ähnlichkeit.

Sequentielle Wahllichtbildvorlage

Diese Verwechslungen können leider sehr schnell passieren. Ähnliche Phänomene treten auch bei Zeugen von Straftaten auf. Sie suchen eigenständig im Internet nach Verdächtigen und finden Personen, von denen sie glauben, dass es sich um den Täter handelt. Diese Arten der Identifizierung von Beschuldigten ist beinahe wertlos und erschwert die zukünftige Ermittlung. Die Zeugen schießen sich dann nämlich auf diese gefundenen Leute ein und sind sich am Ende 100 % sicher, dass es sich um den Täter handelt. Die Ermittlungsbehörden verwenden daher die sequentielle Wahllichtbildvorlage. Zu den Anforderungen führte das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 17. März 1983 aus:

Die erste (Wahl-) Gegenüberstellung ist entscheidend. Fehler vor und bei der ersten Gegenüberstellung sind i.d.R. nicht wiedergutzumachen und beeinträchtigen den Wert des Wiedererkennens als Beweismittel für das gesamte Verfahren.

  1. a) Daher ist zunächst alles zu vermeiden, was das Erinnerungsbild des Augenzeugen vom Täter vor der ersten Gegenüberstellung beeinträchtigen könnte. Dies gilt insb. für die Vorlage von Lichtbildern vom Tatverdächtigen oder für die Möglichkeit, ihn als Einzelperson als Verdächtigen oder unter Umständen, die ihn als Verdächtigen erscheinen lassen, zu sehen. (…)
    b) Bei der Gegenüberstellung selbst ist darauf Bedacht zu nehmen, daß
    aa) alle Auswahlpersonen der von dem Augenzeugen gegebenen Täterbeschreibung so gut wie unter den jeweiligen Umständen möglich entsprechen, insb. auch in Größe und Alter; bb) der Tatverdächtige sich äußerlich auch im übrigen möglichst wenig von den Auswahlpersonen unterscheidet, insb. in der Art der Kleidung und im sonstigem Habitus; cc) alles vermieden wird, was eine suggestive Wirkung auf den Augenzeugen dahin haben könnte, der Täter müsse sich unter den Auswahlpersonen befinden.
  2. Die Wiedererkennung anläßlich einer (Wahl-)Gegenüberstellung ist für die Beurteilung des Tatverdachts im Verlauf des Verfahrens bis zur Hauptverhandlung und in der Hauptverhandlung selbst als vorweggenommener Teil der Beweisaufnahme von entscheidender Bedeutung.
NStZ 1983, 377, beck-online

Wenn man also das nächste Mal in einer Fernsehserie sieht, wie der Staatsanwalt den Zeugen fragt, ob der Täter sich im Raum befinde und der Zeuge dann auf den Angeklagten zeigt, wird deutlich, dass diese Art der Identifizierung allein nicht ausreicht, um die Schuld des Angeklagten zweifelsfrei zu beweisen. Der Zeuge mag zwar fest von seiner Identifikation überzeugt sein, jedoch ist es für das Gericht als unbeteiligter Dritter, der niemanden persönlich kennt, äußerst schwierig, eine eigene sichere Überzeugung zu entwickeln, dass der Angeklagte tatsächlich der Täter ist und der Zeuge keinerlei Irrtum unterliegt.

Solche Situationen verdeutlichen die Bedeutung von objektiven Beweismitteln und einer sorgfältigen und unvoreingenommenen Untersuchung, um eine zuverlässigere Urteilsfindung sicherzustellen. Die sequentielle Wahllichtbildvorlage, wie sie von den Ermittlungsbehörden verwendet wird, ist ein Ansatz, der solche Verwechslungen minimiert und die Genauigkeit der Identifizierung verbessert.

Es ist wichtig, dass wir uns bewusst machen, wie leicht Verwechslungen entstehen können und wie fehleranfällig menschliche Wahrnehmung und Erinnerung sein können. Eine umfassende und objektive Herangehensweise bei der Identifizierung von Verdächtigen ist entscheidend, um mögliche Fehlurteile zu vermeiden und eine gerechte Justiz zu gewährleisten.

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